Weniger Staat, mehr Eigenverantwortung

(Presseclub / ARD / 10. Mai 2020)

Protokollierung / Redaktion Hygiene Journal am 11.05.2020

“Weniger Staat, mehr Eigenverantwortung – Freiheit auf Bewährung”

Moderator Jörg Schöneborn: “Merken Sie was? Irgendwie verändert sich gerade eine ganze Menge in unserer Corona-Republik. Unser Blick verändert sich. Ja, es gibt noch die bundesweiten Durchschnittszahlen, die gerade wieder leicht ansteigen, aber wir blicken stärker auf die regionalen Unterschiede. Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern haben die bisher weitestgehenden Öffnungen beschlossen; weil Sie wenig Infizierte haben. Andere Landkreise haben sich zu Brennpunkten entwickelt, in Thüringen, in Schleswig-Holstein, in einer Fleischfabrik im Müsterland gibt es auf einen Schlag fasst 200 infizierte Mitarbeiter.

Auch das Handeln der Politik verändert sich. Haben die Ministerpräsidenten kurzfristig Einzelmaßnahmen beraten, entschieden und dann schnell umgesetzt, so haben die Länder jetzt längerfristige Pläne, viele Schritte der Öffnung für die nächsten Wochen sollen angekündigt werden, damit die Betroffenen sich darauf einstellen können. Und die politische Debatte verändern sich. Einvernehmen gibt es immer noch darüber, dass das Entscheidende der Abstand ist, die körperliche Distanz. Das ist das Wichtigste um Ansteckungen zu vermeiden. Aber wie stellt man das sicher? Soll der Staat, sollen die Länder nach wie vor umfangreiche Regeln und Verbote aufrecht lassen? Sollen sie einen Teil des öffentlichen Lebens unter polizeilicher Kontrolle geschlossen halten? Oder kann der Staat den Bürgerinnen und Bürgern vertrauen? Sollen Gewerbetreibende, sollen Unternehmerinnen, soll jede und jeder Einzelne selbst schauen, wie er sich und andere am Besten schützt? “

Gesprächsteilnehmer der Diskussionsrunde: Frau Anja Maier, Parlamentskorrespondentin der Tageszeitung TAZ. Herr Werner Bartens, Leitender Redakteur der Wissenschaftsredaktion der Süddeutschen Zeitung. Herr Robin Alexander, Stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung Welt und Frau Nicole Bastian, Leiterin des Auslandsressource beim Handelsblatt.

Moderator: “Frau Bastian, Eigenverantwortung, das Thema des Wochenendes ist eine Fleischfabrik, ein Schlachthof in Nordrhein-Westfallen, in anderen scheint es ähnlich zu sein, wo man feststellen kann, dass die Unterbringung der Arbeiter überhaupt nicht den Hygienestandards entspricht; hunderte Ansteckungen. Ist das ein Signal, dass man Unternehmen nicht vertrauen kann, dass die staatliche Kontrolle wichtig ist?”

Nicole Bastian: “Ich glaube staatliche Kontrolle ist wichtig, aber ich würde sagen, das ist kein Signal das man Unternehmen per se nicht vertrauen kann. Ich glaube wir kommen in eine Zeit in der wir ausdifferenzieren müssen. Und in diesen Fällen – wie zum Beispiel der Fleischfabrik – zeigt sich, da ist etwas kolossal schief gelaufen. Das hatten wir auch in anderen Ländern, wir hatten in Singapore die großen Ansteckungen in den Gastarbeiterunterkünften; und das zeigt uns, dass wir da gegensteuern müssen. Ganz klar gegensteuern müssen. Ich glaube aber nicht, dass man pauschal sagen kann Eigenverantwortung gilt nicht. Sondern wir müssen jetzt in unserem Weg in die Normalität, in die neue Normalität schauen, wo können wir mehr Eigenverantwortung zulassen, und wo geht es eben aber auch nicht. Wir müssen ganz klare Vorgaben machen, die helfen müssen, die Pandemie weiter unter Kontrolle zu halten.”

Moderator: “Frau Maier, es sind vor allem gewerbetreibende kleine Unternehmer, die in den nächsten Wochen schrittweise ihre Betriebe unterschiedlichster Art wieder öffnen können. Zeigt dieses Beispiel Fleischfabrik das Vertrauen in die Wirtschaft ist nicht gerechtfertigt?”

Anja Maier: “Ich würde mich da Frau Bastian anschließen, natürlich , grundsätzlich, kann man und sollte man auch Vertrauen in die Wirtschaft in diesem Land haben. Aber die Fälle in den Fleischfabriken , in den Fleischverarbeitungsfabriken, zeigen auch, unter welchen Bedingungen in diesem Land gearbeitet wird. Und da, wie immer, in all diesen Corona-Wochen merkt man, es ist immer konkret. Es geht nie um das Abstrakte, man muss immer schauen, was bewirkt dieses Virus? Wo bricht es aus? Was muss man tun und wo wird etwas unterlassen? Und wo etwas unterlassen wird, da muss man auch, finde ich, hart durchgreifen.”

Moderator: ” Herr Bartens, wir haben gerade in der Tagesschau gesehen, die Bundesliga und zweite Liga, es bleibt dabei nächste Woche wieder zu spielen. Es ist auch eine Wirtschaftsbranche, die mit öffentlicher Begutachtung ein großes Vorsorgekonzept erstellt hat. Ist das eher ein Beispiel dafür das Wirtschaft auch Verantwortung übernehmen kann, oder das es zu weit geht?”

Werner Bartens: “Das ist ein großer Feldversuch, kann man auch sagen. Das also die Bundesligaspieler stellen sich jetzt in den Dienst der Wissenschaft. Ich bin mir sicher, dass es zu Infektionen kommen wird. Sie haben sich rührend zum Teil bemüht etwas alltagsfern auch was manche Praktiken in Bundesligavereinen angeht, da muss man – nicht nur das Beispiel dieses Herta-Spieles – zitieren, sie haben sich einerseits bemüht, das möglichst zu minimieren, aber es wird sich nicht auf Null halten lassen. Man hat jetzt schon gesehen, dass es bei dem Zweitligisten Dresden Infektionsfälle gab und was dann ist, dann muss eigentlich auch die gegnerische Mannschaft in Quarantäne und dann ist der nächste Spieltag schon nicht mehr möglich. Ich glaube das ist hier auch massive Lobbyarbeit, massives wirtschaftliches Interesse was dahinter stand. Und aus meiner Sicht auch viel zu früh. Wie ich sowieso finde, dass wir jetzt zu früh, zu geballt, zu viele Lockerungen auf ein Mal haben. Lockerungen ist richtig, aber man hätte das viel koordinierter, sinnvoller machen müssen. Jetzt reißt man mit dem Hintern wieder das ein, was man jetzt in 6-7 Wochen mühsam aufgebaut hat und wo wir jetzt die Erfolge sehen, die dadurch, aus meiner Sicht, wieder gefährdet werden.

Moderator: “Herr Alexander, zu früh zu viel, oder zu wenig, zu zaghaft? Da ist die Debatte, die wir im Moment haben”

Robin Alexander: “Das muss man im Einzelfall beurteilen. Wenn man sich anschaut wie die Lockerungen losgegangen sind. Sie sind losgegangen in Sachsen-Anhalt, dass da ein Ministerpräsident gesagt hat, er erneuert nicht die Verordnung für den Lockdown, dann wurde gesagt, das ist unverantwortlich, wie kann er denn – vorher ins Kanzleramt kommt, – aber andererseits, er hat Landkreise, wo es überhaupt keine Neuinfektionen mehr gibt. Wenn wir völlig unverhältnismäßig reagieren, verlieren wir a) das Vertrauen der Bürger und b) das Vertrauen der Gerichte. Weil der Lockdown, der flächendeckende Lockdown ist nicht nur an Eitelkeiten von Landespolitikern gescheitert, sondern es gab massiv Urteile, die gesagt haben, das geht so nicht mehr. Ein Hamburger Moschee-Verein hat erwirkt, dass ein Freitagsgebet unter Hygiene-Abständen stattfinden kann. Im Saarland ist das Gesetz vor Gericht gescheitert, man darf nur mit einem triftigen Grund raus. So ist unser Grundgesetz nun mal. Sie können bestimmte Grundrechte nur außer Kraft setzen zur Abwendung einer Katastrophe . Und wenn die Katastrophe erfolgreich abgewendet wurde, dann müssen sie sich was neues ausdenken.”

Werner Bartens. “Aber sie ist ja nicht erfolgreich abgewendet und wir haben das am Anfang alle gelernt, es gibt einen Meldeverzug, es gibt diese Inkubationszeit. Die Zahlen, die wir heute sehen, sind die, von den tatsächlichen Infektionen von vor 10 Tagen, von 2 Wochen. Das heißt, natürlich kann ich diesen Impuls verstehen, mir geht es selbst so, das ich in manchen Bereichen ungeduldig bin, aber wir haben das längst noch nicht geschafft. Und was aus meiner Sicht jetzt an Chance verspielt wird, das wir jetzt Real-Time beobachten könnten, welche Maßnahmen der Lockerung waren sinnvoll, sind wert, können wir fortführen, und welche nicht. Und wenn wir jetzt alles auf ein Mal machen, dann wissen wir nicht zu welchen Aspekten was geführt hat. Das ist eine riesen Chance vertan.”

Robin Alexander: “Es gibt ein Urteil des Landesverfassungsgericht im Saarland. Soll der Ministerpräsident sagen, ich ignoriere dieses Urteil? Das ist doch eine absurde Vorstellung. Der Versuch, sozusagen aus dem Lockdown wieder per Fingerschnipp in den Status quo ante zu fallen, sondern über intelligente Maßnahmen weiter zu machen, ist doch, ironischerweise muss man sagen alternativlos. Der totale flächendeckende bundesweite Lockdown – der ja gar keiner war – aber die strengen Maßnahmen waren nicht mehr zu halten. ” (Status quo ante: Stand vor dem infrage kommenden Tatbestand oder Ereignis)

Werner Bartens. “Intelligente Maßnahmen unbedingt, aber wir sehen doch jetzt im Alltag und wir sehen auch gestern bei diesen Demonstrationen ohne Abstände und mit Verschwörungstheorien, aber selbst wenn ich diese Verschwörungstheorien weglasse, wir haben am Anfang “flattening the curve” gelernt, jetzt müssen wir uns eher darum kümmern, dass wir die Kurve der Dummheit und Unvernunft abflachen. Weil jetzt vieles als Signal verstanden wird. OK, Lockerungen überall, war nicht so schlimm, wir machen weiter bis bisher. Da gibt es natürlich viele Vernünftige, die wissen, dass das nicht so ist und nicht so war. Aber das verspielen wir jetzt und da ändern auch einzelne Gerichtsurteile nicht daran. Und intelligent wäre aus meiner Sicht gewesen, zu sagen, ich schaue mit der entsprechenden Latenzzeit welche Maßnahmen sich bewährt haben als Lockerung, dann kommt die Nächste und die Übernächste. Nicht auf eine beschränkt, aber auf mehrere wenige. Aber nicht auf das Gefühl jetzt fasst alles auf einmal geöffnet zu haben. Dazu kommt der föderale Flickenteppich, der uns in diesem Land in vielen Teilen2 sinnvoll und wichtig ist, der jetzt aber noch mehr dazu führt, das wir nicht wissen, was hat den jetzt wozu geführt; auch, wenn wir es auf Kreisebene nachvollziehen können.” (flattening the curve: Abflachen der Kurve)

Nicole Bastian: “Ich glaube in der Tat intelligente Maßnahmen ist das Stickwort und die hätten intelligenter sein können als sie es jetzt waren. Einerseits der föderale Flickenteppich, da gebe ich Ihne völlig Recht. Da hätte man mehr Überblick schaffen können. Ich finde es auch so anekdotisch, wenn man am Wochenende selbst unterwegs war, man hat das Gefühl es ist ein Gefühl von es normalisiert sich alles. Ich muss auch nicht mehr so vorsichtig sein unterwegs. Sehr gefährlich finde ich. Und intelligent in den Lockerungen ist auch, dass man schaut, das wir uns nicht in Widersprüche verlieren, sondern ich vermisse schon eine gewisse Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Da gehört zum Beispiel die Bundesliga zu, da gehört auch zu, dass wir in einzelnen Bundesländern die Möbelhäuser öffnen, dass wird Autohäuser öffnen über 800qm, anderswo nicht. Wenn wir nicht aufpassen, dann ist die Akzeptanz dieser Maßnahmen und der Grenzen, die dann weiterhin gesetzt werden müssen, wird die immer weiter aufweichen. Das ist gefährlich und deswegen brauchen wir glaube ich, etwas stimmigere Maßnahmen, mit denen wir diese lange Zeit, die wir noch mit der Pandemie haben, auch durchschreiten können. Wir werden – da bin ich mir relativ sicher, – auch Phasen haben, wo wir die Eindämmungsmaßnahmen wieder verschärfen müssen. Auch das muss dann akzeptiert werden in der Bevölkerung.”

Anja Maier: “Ich bin auch ganz bei dem Punkt mit den intelligenten Lösungen. Was wir jetzt gerade erleben, – ich habe mit heute morgen mal die Freude gemacht zu schauen, einen Überblick zu suchen, was wo erlabt ist. Das ist nicht intelligent, das ist schwer verständlich, um es mal ganz vorsichtig zu sagen. Da geht es um Stufen, und demnächst, und vielleicht, und Fristen, und, aber wird noch, und so weiter. Das betrifft vor allem Familien mit Kindern in Schulen und Kitas, das finde ich ganz schwierig. Vor allem der Effekt davon ist, ein Vertrauen in das Handeln der Politik ins Wanken kommt. In dem Moment, wo sich so zusagen, Einzelinteressen nach Vorne bewegen, und denen auch stattgegeben wird. Während die großen Probleme, nämlich der Leute die zu hause sitzen, nicht gelöst sind, macht sich eine Unsicherheit breit. Das ist auch der Humus, auf dem sich diese Verschwörungsleute frei bewegen können und wunderbar wachsen können. Ich sehe das auch sehr kritisch.”

Moderator: “(…) Ich merke, das etwas – was Sie Frau Bastian oder Sie Herr Barlens auch gesagt haben – eine Kurve der Dummheit und Unvernunft. Das Stigma der Unvernunft beobachte ich, wenn ich im Moment rausgehe, wenn ich in die Stadt gehe, in welchem Lebensgefühl stehen die Menschen da herum und achten sie immer auf Distanz? Es gibt eine große Sorge, jedenfalls bei vielen die uns schreiben, dass die Bürgerinnen und Bürger doch nicht reif sind dafür die Dinge jetzt häufiger selbst in die Hand zu nehmen.”

Robin Alexander: “Die Grundfrage ist, was haben wir für ein Menschen- und Gesellschaftsbild. Wenn man denkt die Leute schnallen das nicht, wie man sich in einer Epidemie verhält, dann sollte sich das Kanzleramt mit den Virologen und den Journalisten auf einen Plan einigen und den möglichst einfach den Leuten erklären. Aber eine offene Gesellschaft ist kompliziert und eine schwierige Lage ist der Bevölkerung zuzumuten. Ich wäre da auch positiv. Wenn Sie sich anschauen, wann haben die Leute angefangen Masken zu nähen? Bevor die Bundesregierung gesagt hat, die Masken taugen. Wann haben die Leute angefangen Abstand zu halten? Bevor Angela Merkel ihre Ansprache gehalten hat, nämlich als die Leute gesehen haben, was in Bergamo und später in New York City. Also das Gros der Leute hat doch die Pandemie in Deutschland richtig gut verstanden und richtig gut mitgemacht. —- Und das es einzelne Irre gibt, die Demonstrationen machen, stellt nicht in Frage, dass auch in einer offenen Meinungsbildung – auch mit Rede und Gegenrede – etwas vernünftiges herauskommen kann. Ich wäre da etwas optimistischer. Anja Maier sagt, das wird jetzt alles so kompliziert, JA. Die offene Gesellschaft ist eine komplizierte Veranstaltung. Das ist so. Das müssen wir den Leuten aber zumuten.

Anja Maier: “Es geht aber nicht um einzelne Irre. Ich lade recht herzlich in den Baumarkt bei uns um die Ecke ein. Da findet man nicht mal einen Parkplatz. Wenn die Leute in den Baumärkten, die einen wirklich super Job machen, wenn die nicht drauf achten würden, dass da immer nur Einzelne reinkommen, dass Einkaufswagen abgezählt werden, das würde dann überhaupt nicht funktionieren, Die Leute sind einfach hungrig danach rauszukommen. Das kann ich total gut verstehen,. Und ich bin auch dagegen, dass man sagt, man muss alles regulieren. Aber es ist offensichtlich, das Leute sich an diese einfachen, minimale Standards nicht halten. Ich erinnere an die Demo gestern auf dem Marienplatz in München, wo 800 Teilnehmer angekündigt sind und dann sind es 3.000 Teilnehmer und die Polizei kann nichts tun. Soviel zur Vernunft.

Werner Bartens. “Die Stichworte ‘offene Gesellschaft’ und ‘Eigenverantwortung’, das unterschreiben wir ja alle sofort. Das klingt gut, aber so einfach ist es wirklich nicht. Die Lektion Pandemie für Anfänger die haben die Meisten nicht gelernt. Und es stimmt auch aus meiner Sicht nicht, was Sie vorhin gesagt hatten, Herr Alexander, es war lange als wir noch nicht den Lockdown hatten, haltet Abstand, geht auf Distanz, ich war da mit dem Fahrrad unterwegs in der Nähe des Starnberger Sees und da waren haufenweise Gruppen unterwegs zu zehnt, zu zwölf, zu zwanzig. Die Bilder hat man doch von den Rheinauen gesehen, von der Isar; aus Berlin, von überall. Jetzt mit dem Thema Masken, ich habe das fünfmal geschrieben, ich muss es nicht alles im Detail wiederholen. Diese einfachen Masken und die Selbstgenähten, die nutzen sehr sehr sehr wenig und den wenigen Schutz den sie bringen, der wird kaputtgemacht durch diese Scheinsicherheit, die sie vermitteln. Und da sieht man – ich war gestern auch bei uns in der Nähe einkaufen und unterwegs, ich habe es nicht repräsentativ gemacht, aber die Hälfte der Leute hat die Maske so auf, dass die Nase frei ist. Bei den anderen ist sie verrutscht. Bei anderen ist sie an den Seiten nicht bündig ansitzend. Ich habe als Arzt früher gearbeitet, ich weiß wie man so ein Ding aufsetzt, es ist keine Raketenwissenschaft. Aber die Leute machen es trotzdem falsch. Und das nützt überhaupt nichts, wenn man sich dann näherkommt, dann stehen sich zwei Menschen auf einen halben Meter mit Maske gegenüber, die Maske sitzt quer überm Gesicht sonst wo, das ist kontraproduktiv. So gibt es leider viele Dinge, wir sind da wohl in einer Art zeitlichem Wurmloch, wir haben gelernt immer zwei Wochen zurück zu schauen, wegen der Inkubationszeit und den Zahlen und dem Meldeverzug ebenso nötig ist. Jetzt ist diese Ungeduld, dieser Überdruss da, jetzt wollen wir am Liebsten wieder alles vorwegnehmen, über Urlaubsreisen, über Grenzöffnungen diskutiere. (…) Alle sind jetzt getrieben durch diese Ungeduld, alles wieder auf ein Mal. Sehen nicht, dass wir noch mittendrin sind! Es viel zu unsicher ist, die Zahlen sind leicht gestiegen, statistische Unsicherheit, deswegen will ich das nicht so mit Sicherheit behaupten. Es gibt Indizien, es könnte auch sein das die Zahlen niedrig bleiben, noch sind wir nicht über dem Berg in dieser Hinsicht.”

Moderator: “Das war das Stichwort ‘Unvernunft’, was Sie mir in der ersten Runde genannt hatten. Ich glaube wir alle teilen Beobachtungen darüber, dass nicht alle Menschen in ihrem Alltag verstanden haben, oder praktizieren, das Distanz nötig ist. Da gibt es unterschiedliche Einschätzungen hier bei uns am Tisch, wie man darauf reagiert. Ob das heißt, erstmal gar nichts tun, abwarten und beobachten. Oder es heißt, Grundrechte können nicht länger eingeschränkt bleiben. Das ist die Diskussion dahinter. Das andere Stichwort aus der ersten Runde hieß ‘intelligente ‘Lösungen’. Sie waren sich alle einig, also niemand will unintelligente Lösungen. (…) Die Frage ist, was ist intelligent. Und da frage ich Frau Bastian, ist es intelligent, wenn wir in einem Land leben, in dem die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner zwischen 0 und 70 liegen. Ist es intelligent, dann in Sachsen-Anhalt anders zu verfahren als in Kosfeld oder in Neumünster?”

Nicole Bastian: “Ich glaube wir kommen jetzt in eine Phase und müssen immer sehen, dass wir noch 1, 1einhalb, vielleicht noch 2 Jahre mit dieser Pandemie zu tun haben, wo wir genauer vor Ort reglementieren müssen. Da sind wir in Deutschland auch nicht alleine, viele Länder haben in verschiedenen Farben Regionen definiert und wenn bestimmte Kriterien dort gerissen werden, dann wird eben weiterverschärft. Wenn die Neuinfektionen unter bestimmte Marken sinken, dann rutscht man in den gelben und den grünen Bereich, dann sind bestimmte Lockerungen möglich. Das ist, finde ich, sehr intelligent, weil man einen Maßstab hat. Bei uns waren es die 16 Bundesländer, wir haben unterschiedliche Maßnahmen da…”

Moderator: “Aber war ja auch ähnlich. Im Saarland waren die Beschränkungen am Härtesten wegen der Nähe zum Elsass. In Bayern etwas härter als in Ländern, wo es weniger Betroffenheit gab.”

Nicole Bastian: “Genau, aber bei diesem Öffnungsplan jetzt und bei dieser Strategie die wir künftig haben werden, über die nächsten Monate, wir haben die Notbremsenkriterien, die gelten für ganz Deutschland; aber wir haben keine festen Kriterien, wenn: Gaststätten dürfen nur öffnen wenn die Neuinfektionen unter X sind, oder sowas. Ich glaube, dass es intelligenter wäre, und konsistenter wäre solche Regeln aufzustellen im Kleinen und dann können wir uns auch erlauben, weil die Kriterien für alle transparent sind, im Einzelnen genauer zu reglementieren.”

Moderator: (mit Blick in die Runde) “Ok, Gegenrede dazu? Ich habe da noch eine andere Intelligenzfrage.”

Werner Bartens. “Ja, wenn ich kurz darf? Ja, klingt logisch und klingt richtig, aber ich gaube, dazu haben wir nicht in Infrastruktur auf Länder- und auf Kreisebene. Es wird deligiert immer weiter nach unten. Klingt gut, aber wir haben die Gesundheitsämter, sind unterbesetzt. Außerdem im medizinischen Bereich wurden nun Ärzte mit Sonderbefugnis ernannt, die quasi regeln sollen, wie die medizinische Versorgung wo/wie/wann dann zu sein hat. Und das sind zum Teil Leute, die vorher nichts damit zu tun hatten. Sagen wir mal relativ ahnungslos sind, auch wenn es Mediziner sind; andere sind da hochkompetent. Das heißt, jeder Landkreis macht das anders und da fürchte ich, dass das zu einem großen Durcheinander einer insgesamt intelligenten Lösung führt. Weil wir diese Verwaltungsorganisation – Infrastruktur nicht bis in die Kreis- und Landesebene haben. Und ich möchte noch ein Punkt dazu sagen, Ich glaube wir haben hier fast so einen kulturellen Konflikt zwischen Politik und Wissenschaft, übrigens auch zwischen Politik, Journalismus und Wissenschaftsjournalismus, – und das nervt mich in letzter Zeit zusehends, wenn ich die vielen Brennpunkte und Sondersendungen und Talkshows zu diesem Thema sehe. Wissenschaft geht immer so vor, das sie sagt ‘ja, aber’, das ist so unser Stand Hypothese müssen wir erst prüfen, ist plausibel, aber nicht sicher. Politik und auch häufig Politikjournalismus suggeriert so ein ‘ohne wenn und aber’ und daraus wird etwas gemacht im Moment, das man vorprescht und halbgare wissenschaftliche Studienergebnisse so überinterpretiert oder auch minimiert, Das jedem sozusagen seine politisch geschnitzte Handhabung daraus entstehen kann und das missfällt mir gerade. Noch mehr, dass dann beklagt wird, das die Ärzte und Virologen mehr zu sagen haben, als sie sonst haben. Das ist doch das, worauf wir uns verlassen müssen, bei aller Vorsicht, bei allem ‘ja, aber’ und das ist unser bisheriger Stand.”

Moderator: “Frau Maier noch dazu?”

Anja Maier: “Ich stimme Herrn Bartens insofern zu, dass dieses Land voller ‘Bescheidwisser’ gerade ist das stimmt und das es oft einer Prüfung nicht so ganz standhält. Das nehme ich auch für mich in Anspruch, mit unter. Aber zu diesen intelligenten Lösungen, wenn wir jetzt zum Beispiel zu dem Schluss kämen, dass man ähnlich vergleichbar wie die Nasen- und Maskenpflicht ein Punktesystem einführen würde, das bis in die Gesundheitsämter hinein, wenn es dann klappt, eingeführt wird. Ich habe heute morgen gehört, das Katrin Göring Eckardt von den Grünen zum Beispiel schon 5 Punkte, 5 Warnstufen fordert. Da wird mir schon ganz blümerant. Ich wünsche mir, dass sich Länder und die Bundesregierung irgendwie mal auf solche verbindlichen Dinge einigen. Und das es nicht funktioniert, oder nicht besonders gut gerade, hat man am letzten Mittwoch gesehen. Der Schalte zwischen dem Kanzleramt und den Ländern. Ich finde, das war sehr sehr schwierig und ich wünsche mir da mehr Konsistenz, mehr Abstimmung und ab und zu mal ein bisschen Geduld und weniger Profilneurose.”

Robin Alexander: “Frau Göring-Eckardt gehört ja nun den Oppositionsfaktionen an und das sich die Oppositionsfraktionen, bevor sie Vorschläge machen, mit der Bundesregierung abstimmen müssten, also soweit kommt es noch. Auch in der Pandemie darf Frau Göring Eckardt andere Lösungsvorschläge machen. Dann können wir gemeinsam besprechen, ob die besser sind als die von Frau Merkel. Sie muss die nicht vorher einschicken. Das halten die Leute auch aus, dass das ein Vorschlag von Frau Göring Eckardt ist, den sie nicht sofort übernehmen müssen. Zu den intelligenten Lösungen: Was mir Sorge macht, ist – wir haben doch jetzt wieder die Debatte, war Lockdown richtig und wie weit geht man davon zurück. Wenn man sich anschaut die Länder in Asien, die Schritte aus dem Lockdown gemacht haben, haben die immer substituiert, die haben die mit anderen Maßnahmen ergänzt. Da ist einmal die Maskenpflicht, die ist in Deutschland verbaselt worden, weil die Regierung hat gleichzeitig kommuniziert, die Masken taugen nichts und dann sie für alle empfohlen. Es kann ja nur eins stimmen. Ich möchte mir gar nicht anmaßen was richtig ist, aber da ist die Bevölkerung verwirrt worden. Und das Zweite ist das Digitale. Wir arbeiten jetzt mit Teams in den Gesundheitsämtern, die die Neuinfektionen nachverfolgen, daraus errechnet sich übrigens dieser 35-Wert, den die Kanzlerin durchsetzen wollte gegenüber den Ministerpräsidenten, was nicht geklappt hat. Weil so ein Team schafft einen Infizierten pro Tag nachzuverfolgen, wo der ist. Und wenn Sie dann zusammenrechnen, da kommen Sie auf die 35 pro 100.000 Einwohner. So. Andere Länder haben eine App. Nun bin ich kein Experte für die App, aber ich weiß, die Bundesregierung hat mehrere Versuche gemacht zu dieser App zu kommen. Die stand im ersten Infektionsschutzgesetz-Entwurf von Span, ist dann nach Protesten herausgenommen worden. Dann wurde versucht aus dem Kanzleramt eine App mit einer zentralen Lagebilderfassung durchzusetzen, jetzt ist man auf diese Bluetooth dezentrale App. Ich kann nicht beurteilen, welche App taugt, aber ich kann beurteilen, dass die App nicht da ist. Und das die Bundesregierung so haben wollte. Das wäre etwas, wo man sagen muss, das kann nur die nationale Ebene, das können nicht die Bundeländer, oder die Kreise, die Gesundheitsämter, es kann nur eine App geben.” (substituieren: gegen etwas austauschen / ersetzen)

Moderator: “Ist auch eines der ganz wenigen Felder, wo der Bundes überhaupt zuständig ist. Frau Bastian, ich bin immer noch bei der Vernunft der regionalen Lösung. Viele ausländische Medien halten das ja für die große Stärke in der Bundesrepublik. Das wir jeweils vor Ort reagieren können auf die Gegebenheiten. Sie haben den Blick auch in viele andere Länder, können wir umgekehrt anderswo abschauen und lernen?”

Nicole Bastian: “Ja, wir können aus einigen Ländern lernen, zum Beispiel aus Süd-Korea die sehr viel Erfolge mit ihrer Version der Tracsing App hatten. Wir können aus Ländern lernen wie Israel, die die Neuinfektionszahlen sehr schnell eingedämmt haben. Wir können aus den Ländern lernen, …”

Moderator: “Ich lese gerade bei Youtube, wann endlich kommt die Corona-App? Für die Gesundheit verzichte ich gerne auf den Datenschutz.

Nicole Bastian: “Das ist eine große Diskussion hier, ich gebe Herrn Alexander Recht, dass wir kostbare Wochen verloren haben mit der Diskussion darüber, wie sie jetzt ausgestaltet werden soll. Wobei ich auch nicht beurteilen kann, wie wichtig es jetzt war, das sie dezentral und nicht zentral wurde. In Korea hat man in der Tat auf Datenschutz ganz weitgehend verzichtet, da war die Bevölkerung sozusagen bereit die Opfer für die Eindämmung der Pandemie zu gehen. Das ist eine Diskussion hier, das, was hier an Tracing-App entsteht wird nicht so weit gehend sein wie das was in Süd-Korea passiert. Das ist auch eine gute Lösung. Ich glaube dennoch, das kostbare Zeit vertan wurde. Ich wollte nur eine Sache sagen, wenn wir nach Asien schauen, dann sehen wir, auch in Asien, das Länder die sich sehr gut geschlagen haben bisher bei der Eindämmung der Pandemie, zum Teil wieder Rückschritte haben im Einzelnen. Wir sehen es jetzt gerade in Süd-Korea…”

Moderator: “In der Tagesschau gerade gesehen, dass Bars jetzt wieder geschlossen werden.”

Nicole Bastian: “Genau, weil man eben gesehen hat, das ist eine Maßnahme, wir können es ganz klar, auch wenn wir mehrere Maßnahmen haben, wir können hier festmachen, es hat die große Ansteckungswelle stattgefunden; und dann dämmen wir halt da wieder ein. In Japan ist es so, dass wir erst später großen Shutdown Maßnahmen erlebt haben, nachdem die Regierung gesehen hat, es läuft so nicht. Die haben viel zu wenig getestet. Das ist auch das, was wir lernen können, das ist keine Straße in eine Richtung, wo wir immer weiter lockern werden, wir werden auch wieder eindämmen müssen.”

Moderator: “Ich habe noch zum Thema intelligente Lösungen die Frage, wann man zu welchem Zeitpunkt was berät und bekannt macht. Herr Bartens, Sie haben das ja vorhin sehr kritisch bewertet, was diese Woche passiert ist. Die Berichterstattung vermittelt teilweise den Eindruck, es habe diese Woche sehr umfangreiche Eröffnungsentscheidungen gegeben; die nun alle auf einen Schlag vollzogen würden. Wenn man sich das genauer ansieht, haben die Länder, Bayern zum Beispiel, Zeitpläne gemacht die weit in den Juni reichen, weit vorausgreifen. Und reagieren damit auf eine Kritik vieler Betroffener, die hieß: ‘Ich weiß gar nicht wo ich dran bin, gebt mir doch zumindest einen Plan, damit ich mich vorbereiten kann’. Wo genau liegt Ihre Kritik an solchen Zeitplänen?”

Werner Bartens. “Einerseits ist durch die Bekanntmachung quasi jetzt der Eindruck entstanden, alles auf ein Mal. Das ist nicht ganz so, – aber ich komme gleich noch dazu, warum ich es trotzdem für übereilt und für zu schnell halte, und das war glaube ich ein fatales Signal an die Öffentlichkeit gesendet: und das nicht nur an die paar Irren, über die wir vorhin gesprochen haben, so nach dem Motto alles nicht so schlimm und wir können wieder loslegen. Und das sehe ich auch zum Teil bei vielen Leuten, die sich zu nah kommen, die sich wieder zu Festen treffen. Die andere Dinge machen, die eigentlich noch nicht sein sollten. Was das andere angeht: man hätte zum Teil schon früher – das ist jetzt ein kleiner Bereich Tennisplätze, Golfplätze hätte man auch schon vor 3-4 Wochen öffnen können. Was Bayern angeht, es wird fasst alles im Mai jetzt stattfinden. Außer die letzte Welle der Schulbesuche, die dann erst nach dem Pfingstferien stattfindet. Es ist schon sehr geballt alles im Mai. Auf jeden Fall so geballt und so schnell, dass man nicht mehr nachvollziehen kann, was wann wozu geführt hat. Im Sinne einer Pandemie-Bekämpfung. Wenn man das mit den verschiedenen Zeitpunkten und Startpunkten in anderen Bundesländern abgleicht, dann hat man eben insgesamt diese sehr große Unterschiedlichkeit die sich falls auf den Monat Mai konzentriert. Noch ein Punkt zu den anderen Staaten: Süd-Korea und auch Singapore wurden uns weltweit als die Klassenstreber vorgeführt. Über Süd-Korea haben Sie gerade gesprochen. Aber auch Singapore, die haben jetzt Militär auf den Straßen. Auch da scheint es Anzeichen für eine mögliche zweite Welle zu geben. Wir können natürlich auch negativ lernen. Sehen, was Staaten wie Groß Britannien, wie die USA das lange geleugnet haben, oder nicht ernst genug genommen haben, was da jetzt passiert mit den Infektionszahlen und den Todesfällen. Schweden ist ein interessanter Zwischenfall, die das lockerer nehmen als ihre skandinavischen Nachbarn , im Vergleich dazu auch deutlich höhere Zahlen haben, was noch nicht so dramatisch ist wie in den USA und Groß Britannien, aber auch im Vergleich zu Norwegen Finnland, Dänemark deutliche Nachteile bisher, was die Erkrankungszahlen angeht. “

Moderator: “Wir sprechen über staatliche Vorgaben und Entscheidungen und Eigenverantwortung, das ist die Überschrift unserer Sendung. Ich habe eingangs gesagt, es verändert sich gerade sehr viel. Es verändert sich auch, dass wir in den letzten Wochen nicht so kontrovers über das diskutiert haben, über das wir heute sprechen. Herr Alexander, Sie haben das angesprochen, es verändert sich auch, das Bürger ihr Recht zurückfordern. Zum einen vor Gerichten und zum anderen erleben wir sehr viel mehr als in den letzten Wochen Demonstrationen. Die teilweise auch regional verboten wurden. Wir erleben das diese Demonstrationen nicht nur von gut meinenden Bürgern besucht werden, sondern auch von Radikalen und Extremen gekapert werden. Was ist das für eine Entwicklung, nachdem der Kanzlerin lange wichtig war, dass wir nicht debattieren und jetzt gleich die Radikalisierung auf der Straße beobachten? Fernseh-Teams werden angegriffen, gleich drei in der letzten Woche.”

Robin Alexander: “Ja, es gab diese Ereignisse, aber ich finde auch, dass wir die medial nicht überbewerten dürften. Ich habe zum Beispiel in den letzten Tagen den Namen eines veganen Koch gelernt, der sich irgendwie an die Spitze dieser Anti-Corona-Bewegung gesetzt hat, den ich vorher gar nicht kannte und den ich auch gar nicht kennen lernen will. Aber natürlich gibt es am Rand der Debatte Irre, das ist so. Aber das ist nicht der Kern der Debatte. Der Kern der Debatte ist, wie machen wir das jetzt unter Pandemie-Bedingungen weiter? Sozusagen unter dem Grundgedanken des Grundgesetzes. Der Gedanke ist nicht, der Staat muss begründen, was er wieder erlaubt, sondern der Staat muss begründen, was er weiter verbietet. Da kann es ja sehr gute Gründe geben, die haben wir in den letzten Woche alle nachvollzogen und zu Recht. Das ist der Kern und daran ist auch diese Idee von Angela Merkel gescheitert, ohne Zeitplan diese Öffnung zu machen. Weil Sie hat gesagt, wir machen was auf, dann warten wir, dann treffen wir uns wieder mit den Ministerpräsidenten, dann schauen wir wie sich die letzte Öffnung ausgewirkt hat und dann entscheiden wir über die nächste Öffnung. Eine durchaus sympathische und aus wissenschaftlicher Sicht auf verständliche Sache, nun aber mal mit dem Grundgesetz nicht zu machen ist. Weil die Politik muss begründen, was geschlossen bleibt. Und wenn jemand kommt – ich wiederhole noch mal das Beispiel aus Hamburg, und hat eine Moschee mit Hygienevorschriften, dann können sie wir die ihm als Politik nicht zumachen. Das geht nicht, weil er hat sein Recht ein Freitagsgebet zu machen und der andere hat halt ein Recht seinen Baumarkt; und ein Dritter hat ein Recht sonst was und dann ist uns das eine sympathisch und das Andere nicht sympathischer, Aber das kann von Staatswegen nicht unterbunden werden, außer, es droht die Katastrophe. Dann natürlich, müssen wir wieder zumachen. “

Anja Maier: “Es ist nicht so, dass Frau Merkel ihr Tun nicht begründet hätte. Das hatten wir ja jetzt immer nur zu den Ansprachen der Weihnachtszeit. Das sie sich quasi mal am Stück und sehr tiefgehend geäußert hat zu ihren Entscheidungen. Oder zu ihren Ambitionen. Und das hat sie jetzt in der letzten Zeit gemacht.

Moderator: “Aber relativ spät. Am Anfang hatte sie das den Ministerpräsidenten überlassen und da hieß es wo ist Merkel. Dann hat sie es irgendwann für sich entdeckt.”

Anja Maier: “ja gut, das mögen Sie jetzt so sehen, aber ich fand es ganz angemessen, dass sie erst mal geschaut hat. Ich war mir sicher, dass sie hinter den Kulissen, dass das Kanzleramt natürlich mit den Staatskanzleien spricht. Davon geht man doch von aus. Aber, was ich sagen will ist dieses – dass sie nicht diskutieren würde. Dass nicht diskutiert wird. Das hätte ich eigentlich nicht gedacht, das ist etwas, was ich nicht nachvollziehen kann. “

Robin Alexander: “Ich glaube ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Es geht nicht darum, das mir die Fernsehansprache nicht gefallen hat. Im Gegenteil, ich fand das gut das Frau Merkel anders als in früheren Krisen öffentlich geworden ist und argumentiert hat und die Leute mitgenommen hat. Der Punkt ist, – ein Beispiel: Sebastian Kurz hat in Österreich so einen Zeitplan gemacht. Da stand drin, dann und dann Biergärten, dann und dann Kitas, dann und dann Schulen, immer natürlich, außer die Situation ändert sich. Frau Merkel hat auf den Zeitplan verzichtet, natürlich gab es intern Zeitpläne weil sie gesagt hat, wir schauen immer wie sich die Infektion entwickelt, und wenn es im Rahmen bleibt, können wir das Nächste freigeben. Und das geht nicht, weil der Staat kann nicht Dinge geschlossen halten aus Vorsicht, aus pädagogischen Gründen, wenn die Katastrophenlage es nicht mehr hergibt. Und das haben die Gerichte in der vorletzten Woche entdeckt und das haben auch die Ministerpräsidenten entdeckt. Daran ist dieses Konzept gescheitert. Deshalb gibt es jetzt keine Ministerpräsidentenrunde mehr.

Moderator: “Ich füge noch eine Zuschauer-Einsendung bei Twitter bei, der sagt, die Rechtsverordnungen müssen endlich in die Parlamente, da gehören sie hin. Es kann nicht sein, dass Ministerpräsidenten per Verordnung entscheiden. Ich zitiere noch die Zusammenstellung, das etwa 1.000 Beschwerden bei Verwaltungs- und Verfassungsgerichten im Moment… und jetzt Frau Maier.”

Anja Maier: “Was mir aufgefallen ist, was wir letzte Woche erlebt haben, warum gibt es diese Runde nicht mehr? Alle haben sich gemeinsam auf den Weg gemacht, es gab quasi eine äußere Bedrohung und dann haben alle zusammen gearbeitet, sie haben sich abgestimmt, sie haben sich verabredet, dann und dann sprechen wir uns wieder, und ein Tag vorher, zwei Tage vorher, drei Tage vorher, stehen einfach Leute vom Tisch auf und sagen, ich gehe jetzt schon mal, weil der Tiger ist nicht gekommen. Das ist in meiner Wahrnehmung so eine naive Sicht auf diesen Virus. Der Virus richtet sich nicht nach Bayernplänen.”

Moderator: “Frau Maier, (…) ich lenke nochmal auf die Frage, die ich jetzt eingeleitet habe,. Hat die Politik das Recht so lange Einschränkungen aufrecht zu erhalten. Zwingen die Gerichte, zwingen Bürger jetzt mit Demonstrationen, mit hunderten Eingaben bei Gerichten, das zurück zu bekommen, was ihnen zusteht. Frage des Zuschauers, dürfen das exekutive Stellen, muss das das Parlament. Herr Bartens.”

Werner Bartens. “Ich finde wir müssen weiter auf die Wissenschaft hören und Frau Merkel ist Wissenschaftlerin. Was Herr Alexander als Dilemma, sozusagen als Gegensatz aufgemacht hat, wir haben es im Griff, oder es droht die Katastrophe, so einfach ist es auch nicht. Wir sind noch nicht darüber hinweg, das die Katastrophe doch noch kommt. Ich bin keiner der Panik macht, ich bin eher optimistisch, aber das ist doch genau die Situation in der wir uns befinden. Da ist gerne mal der Ruf, oder die Bitte, eine starke Ansage. Ja, was ist denn das nun, nicht so ein Hü oder Hott und die Wissenschaftler widersprechen sich. Das ist Teil des Erkenntnisprozesses bei einer neuartigen Bedrohung, wie wir sie haben. Deswegen ist es wichtig, dass wir das Schritt für Schritt machen und das es keine Spielerei und kein akademisches Glasperlenspiel. Und wenn da einzelne ihre Recht durchsetzen, dann empfinde ich das einfach als eine unvernünftige Ungeduld. Ich habe am ersten Tag nach dem Lockdown , – kamen Leserbriefe und Zuschriften: ‘Ich klage, das ist unverantwortlich von wegen Gesundheit geht vor’. Das sind Partikularinteressen, egoistische Interessen, zum Teil Lobby-Interessen.”

Moderator: “Gilt das für das Beispiel, das Herr Alexander genannt hat von der Moschee in Hamburg? Die ein Hygienekonzept hat, das auch der gerichtlichen Prüfung hält?”

Werner Bartens. “Das hat auch die DFL für die Bundesliga. Das sind zum Teil, rührende, sehr redliche Versuche, die aber doch nicht verhindern können, das trotzdem was passiert. Wenn ich am Anfang da so ein Desinfektionsspender stehen habe, dann kann ich doch trotzdem mich anhusten und da kann ich noch so viel selbst-genähte Masken oder einfachen Mundschutz habe, es wird es nicht verhindern, dass sich Menschen anstecken. Das ist der Versuch das Risiko zu minimieren. aber damit schließt man es nicht aus. Ausschließen würde man es im Fall der Moschee in dem man sagt, nein, tut mir leid, Religionsfreiheit ist ein Grundrecht in diesem Land, aber noch müsst ihr etwas Geduld haben.

Nicole Bastian: “Zwei Punkte. Zum einen finde ich in dieser Diskussion die wir in Deutschland führen, einmal die Perspektive wichtig ist, das der Shutdown in Deutschland immer noch relativ locker war im Vergleich zu dem, was in anderen Ländern war. Wir hatten keine Ausgangssperren, wenn ich nach Italien schaue, oder nach Spanien schaue, oder nach Frankreich schaue, waren die Ausgangssperren viel intensiver. Die Einschränkungen für Unternehmen waren viel intensiver. Unternehmen wurde verboten, wenn sie keine systemrelevanten Tätigkeiten hatten, ihre Aktivitäten weiter zu führen. Das sollte in dieser Diskussion finde ich immer berücksichtigt werden. Gleichwohl sind wir jetzt so weit, dass wir – da gebe ich Ihne Recht – eine Perspektive brauchen, einen Öffnungsplan brauchen. Denn sonst wird dieser Druck der entsteht über Diskussion, über Klagen etc. aber immer größer werden. Die Leute brauchen eine Perspektive. Nur, wir brauchen transparente und konsistente Öffnungspläne, die dann auch Kriterien haben, wie Sie es im Fall von Österreich gesagt haben, wenn bestimmte Neuinfektionen überschritten werden. Machen wir es nicht, dann gilt dieser Öffnungsplan nicht. Das wäre die intelligenteste Lösung.”

Moderator: “Vielleicht eine ganz konkrete praktische Frage in einer kurzen Schlussrunde. Weil ich sie im Netz immer wieder sehe, das Thema Reisen in Deutschland und darüber hinaus. Spielt eine große Rolle. Die einen halten es für unverantwortlich, die anderen fordern Grenzen auf, auch da haben wir eine spannende Debatte. Wir haben offene Grenzen nach Holland und Belgien, wir haben geschlossen Grenzen nach Frankreich und Luxembourg. Drei Ministerpräsidenten haben in den letzten Tagen dort die Öffnung gefordert. In Luxembourg wird gewarnt vor Ressentiments, die entstehen können, wenn Deutsche sich abschotten. (…) Machen wir doch dazu eine kurze Schlussrunde, ich kann jedem von Ihnen 1-2 kurze Sätze erlauben. Frau Maier, wollen Sie anfangen?”

Anja Maier: “Soweit ich das sehr gut verstehen kann, dass das europäische Projekt jetzt unter einer harten Bewährungsprobe steht, bin ich trotzdem dagegen diese Grenzen jetzt zu öffnen. Ganz klar.”

Moderator: “Warum?”

Anja Maier: “Wir sehen es doch schon im Kleinen, quasi in Deutschland. Wenn jetzt ganz Bayern in den Pfingstferien nach Mecklenburg-Vorpommern fährt, dann werden wir sehen, dass der Virus sich ausbreitet.”

Werner Bartens. “Grenzschließungen waren nur am Anfang medizinisch, epidemiologisch, virologisch sinnvoll, also man könnte die Grenzen aufmachen. Viel entscheidender ist das Verhalten vor Ort. Abstandsdistanz, wenn das gewährleistet ist, könnte ganz Europa sich wieder öffnen.”

Moderator: “Ihre Position überrascht mich jetzt, weil Sie ja doch sehr restriktiv in anderen Fragen sind.”

Werner Bartens. “Viren machen nicht Halt vor Grenzen. Das ist nicht der Punkt. Wir müssen uns jetzt nicht gegenüber Frankreich oder Österreich, oder Skandinavien abschotten. Es geht um das Verhalten der Menschen untereinander.” Es ist längst auf lokaler, punktueller, regionaler Kreisebene geht es darum die Hotspots, oder die wieder aufflammenden Infektionsherde zu begrenzen. Das ist nicht durch staatliche oder landesweite Grenzen getan.

Nicole Bastian: “Bin ich sehr bei Herrn Bartens, ich glaube auch, dass wir die Grenzen aufmachen sollten. Das Eindämmungsmanagement lokaler gestalten, wo wir das hier ohnehin in Deutschland machen sollten, schleunigst drangehen. Und, wir sollten in Europa einen Plan entwickeln, wenn es wirklich zu der zweiten Welle im Herbst und im Winter kommt, wie wir das schaffen, ohne das wir die Grenzen wieder schließen.”

Moderator: “Sie sagen Europa. Das wäre eine Aufgabe für Frau Merkel in der Ratspräsidentschaft jetzt?”

Nicole Bastian: “Genau, ich meine das zweite Halbjahr mit der Ratspräsidentschaft jetzt, das wird sehr von Corona geprägt sein. Sie hat Ursula von der Leyen an der Seite und das sind die besten Voraussetzungen, dass Deutschland sich da positiv einbringen kann.

Moderator: “Herr Alexander, die Grenzen.”

Robin Alexander: “Wir haben Schengen. Das heißt, vom Recht her sind die Grenzen offen. Die kann man zumachen unter dem Eindruck einer drohenden Katastrophe; das ist gemacht worden. Es wäre besser gewesen, wenn die EU-Kommission das gemacht hätte, als die Nationalstaaten. Da ist ein Fehler gemacht worden. Und es wäre besser, wenn die EU-Kommission sie wieder aufmachen würde. Außer, es droht die Katastrophe.”

Moderator: “Wobei die Entscheidungslage ist, dass das Innenministerium das gemacht hat.”

Robin Alexander: “Ja, mit handwerklichem Bemühen. Besser wäre gewesen, wenn für ganz Europa sozusagen, unter dem Eindruck, wie läuft die Epidemie, die Kommission gesagt hätte, wir heben Schengen vielleicht an dieser Grenze auf und an dieser nicht, aber im Prinzip bleiben wir bei den offenen Grenzen. Dass das wieder zurückgefallen ist in Nationalstaaten war keine gute Idee.

Moderator: “Ich bedanke mich sehr herzlich. Was Gerichte nicht ändern können, auch eine Diskussion nicht ändern kann, ist, das wir mit ungefähr zwei Wochen Verzögerung erfahren, was die Situation in unserem Land, was das Verhalten der Menschen an Entwicklung der Krankheit das Virus auslöst, insofern fühlen wir immer eine verzögerte Debatte und werden nächste Woche wieder zurückblicken auf die neuesten Erkenntnisse.”

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