Zahlungsengpässe im Gesundheitsministerium

Der Tagespiegel thematisiert aktuell eine brisante Angelegenheit für den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Es gebe bisher 48 eingereichte Klagen von Händlern beim Landgericht Bonn wegen nicht bezahlter Rechnungen seitens der Behörde. Der 1. Dienstsitz des Bundesgesundheitsministeriums befindet sich weiterhin in Bonn, daher ist die dortige Gerichtsbarkeit zuständig. Es gehe um Forderungen von 300.000 Euro bis zu fünf Millionen Euro, zusätzliche größere Klagesummen bis zu gesamt dreistelligen Millionenbeträgen seien auf dem Weg der Einreichung. Etwa 100 weitere Lieferanten bereiten nach Informationen der „Welt am Sonntag“ ein abgestimmtes juristisches Vorgehen vor. Die Klagen würden alle einzeln verhandelt, so der Gerichtssprecher.

Zur Infektionswelle Nr. 1 der Corona-Pandemie in der ersten Jahreshälfte 2020 hatte das Gesundheitsministerium vom Corona-Kabinett die Direktive, in einem sehr zeitkritischen Handlungsraum so viele Schutzmasken wie möglich aus China zu beschaffen. In der Not wurden externe Unternehmen mit dem Einkaufsmanagement betraut. Ein Open-House-Verfahren wurde Anfang April 2020 eingeführt, um die Maskennot in Krankenhäusern, Einrichtungen der Pflege und Arztpraxen im Zuge der nach oben schnellenden Infektionszahlen zu lindern. Die in Aussicht gestellten Gewinne betrugen bis zu 2,60 Euro je China-Maske, bei offener Abnahmemenge. Das Ministerium wurde daraufhin mit Angeboten überschüttet, mit 300 Lieferanten sollen 700 Verträge abgeschlossen worden sein. Als die Maskenbesorgung mit anderen Staaten zum umkämpften Bieterwettbewerb mutierte und die eigene Auftragsvergabe für das Gesundheitsministerium scheinbar unüberschaubar wurde, erhielt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) abseits jeglicher staatlicher Ausschreiberichtlinien einen Salär in Höhe von 9,5 Millionen Euro und den Auftrag im Maskenbestell-Chaos den Durchblick wiederherzustellen. Das Kartellamt soll hinsichtlich dieser Vergabepraxis bereits aktiv sein. EY sorgte jüngst für bundesweite Schlagzeilen, da deren Wirtschaftsprüfer beim DAX-Konzern Wirecard möglicherweise Bilanzfälschungen in Milliardenhöhe über Jahre abnickten. Der Vertrag mit EY und dem Ministerium ist bis zum 15.11.2020 befristet und soll nicht verlängert werden.

Auf Nachfrage des Tagesspiegel beim Gesundheitsministerium, ob nicht einfach viel zu viele Masken bestellt worden sind, sagt ein Sprecher: „Nein.“ Das Ministerium beruft sich darauf, dass viele der gelieferten Masken wegen mangelhafter Qualität nicht angenommen wurden. Lieferanten beklagen dagegen fehlende Einsicht in Prüfberichte. Laut Gesundheitsministerium hat der TÜV Nord bislang 8705 Prüfungsvorgänge durchgeführt. Zudem soll auch eine nationale Reserve aufgebaut werden, um bei der nächsten Pandemie besser vorbereitet zu sein.

(Redaktion Hygiene Journal/Leo 09.08.2020)

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